Florenz im Zeichen der Tierwissenschaften

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Vom 1. – 5. September 2024 trafen sich knapp 2’000 TierwissenschaftlerInnen in der Hauptstadt der Toskana um die neusten Forschungsergebnisse zu diskutieren. In 98 Sessionen über 4 Tage wurden die zukünftigen Herausforderungen der Nutztierhaltung in 1’785 Beiträgen thematisiert. Aus der Schweiz kamen rund 50 Beiträge mit Erstautorenschaft. Gegen 70 Teilnehmende sind aus der Schweiz angereist und haben am Puls der Tierwissenschaft aktiv teilgenommen.

Unsere Beziehung zu Nutztieren neu bewerten

Das war das Thema der grossen gemeinsamen Session aller Teilnehmer. Linda Keeling von der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala betrachtete diese Thematik aus Sicht der Wissenschaft. Sie fand, dass das Tierwohl im Mittelpunkt stehen muss, um eine nachhaltige Entwicklung in der Nutztierhaltung zu erreichen. Aber das Tierwohl zu messen, sei die grosse Herausforderung in der Wissenschaft. Ausserdem nehmen die Nutztiere einen grossen Anteil der Biomasse auf unserem Planeten ein (Abbildung 1). Die Biomasse bezeichnet die Gesamtheit der Masse an organischem Material. Deshalb soll man mit den Nutztieren zusammenarbeiten, findet Linda Keeling.  

Auch die Vertreter des Tierschutzes und der Industrie haben die Wichtigkeit der Forschung in diesem Themenfeld hervorgehoben. Man soll das Wissen transferieren, sowohl zu den Tierhaltern als auch zu den Konsumenten. So fördere man das Verständnis für die Lebensmittelproduktion und die nachhaltige Tierhaltung. 

Abbildung 1: Linda Keeling zeigte die wissenschaftlichen Aspekte und die neusten Erkenntnisse zum Tierwohl auf. Übersetzung Text auf Folie: Nutztiere machen einen so grossen Teil der Biomasse auf unserem Planeten aus, wir sollten mit ihnen zusammenarbeiten – und nicht gegen sie arbeiten.  (Bild: Sarah Widmer) 

Neuste Entwicklungen der Genetik

In 19 Sessionen zur Genetik und Zucht lagen die Hauptschwerpunkte auf Methan, Umwelteffekte, Nachhaltigkeit, Entwicklung kleiner Rassen und neuen Merkmalen zu Tiergesundheit und Tierwohl. Zum neueren Merkmal Methan wurde in diversen Präsentationen die verschiedenen Möglichkeiten der Merkmalsdefinition aufgezeigt und diskutiert. Der Konsens, der von Solène Fresco vom INRAE in Frankreich bestätigt wurde, war, dass die effektive Methanproduktion in Abhängigkeit von der Milchleistung die zu bevorzugende Grösse ist. 

Das zweite Themenfeld zur nachhaltigen Milchproduktion war die Futtereffizienz. Diese zu messen und Phänotypen zu generieren, ist eine grosse Herausforderung. Es wird neu nach alternativen indirekten Merkmalen zur Erhebung der Futtereffizienz geforscht wie zum Beispiel die metabolische Energiezufuhr.  

Kälberaufzucht – fängt schon mit der Trächtigkeit an

Eine Themensession widmete sich der Kälberaufzucht. Dabei wurde auch auf die Wichtigkeit des Zuchtentscheids hingewiesen. Denn bessere Kälber beginnen mit besserer Zucht und Genetik. Management und Genetik sind zusammen die wichtigsten Einflussfaktoren. In Zukunft soll der Fokus nicht nur auf die Kuh, sondern auch auf die Kälbergesundheit bei der Zucht gelegt werden. Marco Winters zeigte auf, dass im Kuhgesundheitsindex in Grossbritannien auch Kälbervitalität miteinbezogen wird. Dies soll nachhaltig zu einer besseren Kälbergesundheit beitragen.  

Weitere Beiträge zeigten einmal mehr die bedeutenden Vorteile des ad-libitum Tränkemanagements bei Kälbern auf. Diese Kälber weisen Wachstumsraten auf, die mit denen der Mutterkuhkälber vergleichbar sind. Ausserdem sind klare Vorteile bei der Gesundheit der Tiere festzustellen, diese sind bis zur ausgewachsenen Kuh zu beobachten.  

Landwirtschaft in Italien

In Italien gibt es rund 1.1 Millionen Betriebe, wovon rund 22% Nutztiere halten. Über das ganze Land verteilt sind verschiedene klimatische Bedingungen vorzufinden – von alpinen Regionen bis zum mediterranen Klima. Deshalb sind verschiedene Spezies, Rassen und Produktionssysteme vorzufinden. In Italien gibt es rund 5 Millionen Rinder, wovon rund 2.4 Millionen Milchkühe sind. Diese sind vorwiegend im Norden des Landes zu finden. Die Käseproduktion hat in Italien einen ganz hohen Stellenwert. 

Die Ponte Vecchio ist eines der Wahrzeichen der toskanischen Stadt Florenz.  (Bild: Beat Bapst) 

Die Schweiz an der Spitze der Europäischen Vereinigung

Das Präsidium der EAAP wechselt alle vier Jahre. Isabel Casasús aus Spanien übergab den Vorsitz an Joël Bérard, Leiter des Forschungsbereichs «Produktionssysteme Tiere und Tiergesundheit» von Agroscope. Bérard wurde vor einem Jahr gewählt. Durch diesen Vorsitz wird die Zusammenarbeit mit der EAAP noch enger und die Schweiz kann eine wichtige Position im Nutztiergeschehen in Europa einnehmen.