Aufgrund unerwartete Ergebnisse bei Entwicklungsarbeiten für die genomische Selektion bei Fleischrinder im Herbst 2019 wurde die gesamte konventionelle Zuchtwertschätzung für Schlachtmerkmale gründlich analysiert und optimiert, um eine bessere Ausgangslage für die Schätzung der genomischen Zuchtwerte zu erhalten.
Foto: Mutterkuh Schweiz
Background
Im April 2020 wurden bereits genomische Zuchtwerte für Absetzgewicht direkt für die Rasse Limousin eingeführt. Der Fokus lag insbesondere auf den Schlachtmerkmalen. Da die Bestimmtheitsmasse bei weitem nicht erreicht wurden, musste die gesamte konventionelle Zuchtwertschätzung (ZWS) für Schlachtmerkmale analysiert und optimiert werden.
Wie bereits erwähnt wurden im Frühjahr 2020, nach einer grossen Genotypisierungsaktion, bereits genomische Zuchtwerte für Absetzgewicht direkt für die Rasse Limousin eingeführt. Auch für andere Merkmale aus der Zuchtwertschätzung wurden die Genauigkeiten der genomischen Zuchtwerte angeschaut. Der Fokus lag insbesondere auf den Schlachtmerkmalen. Für diese waren eine genügend grosse Anzahl an Tieren mit sicheren Zuchtwerten genotypisiert, so dass die Bestimmtheitsmasse theoretisch sehr hoch werden müssten. In der Realität wurden diese Bestimmtheitsmasse bei weitem nicht erreicht. Aufgrund dieses unerwarteten Ergebnisses wurde die gesamte konventionelle Zuchtwertschätzung (ZWS) für Schlachtmerkmale gründlich analysiert und optimiert, um eine bessere Ausgangslage für die Schätzung der genomischen Zuchtwerte zu erhalten.
Phänotyp – Schlachtdaten
Die Basis der Zuchtwertschätzung für Fleischmerkmale bilden die an den Schlachthöfen erhobenen Merkmale Fleischigkeit (CHTAX), Fettabdeckung (1-5) und Schlachtgewicht (kg). Die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, Proviande, erhebt diese Phänotypen für die Mehrheit der in der Schweiz geschlachteten Tieren via Proviande-Klassierer am Schlachthof.
In der bisherigen Zuchtwertschätzung wurden die Schlachtdaten sämtlicher Tiere, die durch Proviande taxiert wurden, berücksichtigt. Neu werden nur noch die Daten von Tieren mit einer Verbindung zu Zuchtverbänden genutzt. Dies hat zwei Gründe: Einerseits kann die Abstammung von Tieren mit Verbindung zum Herdebuch verifiziert werden. Andererseits gibt es im neuen Modell einen Effekt für die Rassekombination der Eltern (siehe Abb. 1) und dieser basiert auf den Rassekonzepten der Zuchtverbände.
Modelle
Zuchtwerte werden mit sogenannten gemischten linearen Modellen geschätzt. Mit solchen Modellen wird versucht, die Umwelteffekte möglichst gut von genetischen Effekten (Zuchtwerte) der Tiere zu trennen. Dabei ist der erste Schritt, die zu selektierenden Merkmale zu definieren (Tabelle 1).
Schlachtkategorie-Wachstumsphase | Produktionssystem | Merkmal |
KV | Konventionelle Mast
(inkl. Natura-Veal) |
Fleischigkeit Bankkälber
Fettabdeckung Bankkälber Schlachtgewicht Bankkälber |
MT, RG, OB | Mutterkuhhaltung
(ausschliesslich Natura-Beef) |
Fleischigkeit Natura-Beef
Fettabdeckung Natura-Beef Schlachtgewicht Natura-Beef |
Konventionelle Mast
(inkl. SwissPrimBeef) |
Fleischigkeit Banktiere
Fettabdeckung Banktiere Schlachtgewicht Banktiere |
Tabelle 1: Merkmale für die Zuchtwertschätzung Schlachtmerkmale
Im bisherigen Modell wurden nur die Kategorien Bankkälber und Banktiere unterschieden und diese in einem 6-Merkmalsmodell ausgewertet. Neu kommt die Schlachtkategorie Natura-Beef hinzu und die Merkmale werden in drei Modellen mit je drei Merkmalen ausgewertet. Diese Auftrennung erlaubt die Wachstumsphase innerhalb einer Schlachtkategorie, sowie das Produktionssystem besser zu schätzen. Die Auswertungen erfolgen in Mehrrasse-Auswertungen. Dies bedeutet, dass alle Rassen mit Zuchtwertschätzung (Simmental, Swiss Fleckvieh, Holstein, Brown Swiss, Original Braunvieh, Jersey, Montbéliard, Angus, Aubrac, Charolais, Limousin, Hereford, Grauvieh, Blonde d’Aquitaine, Salers, Piemontese, Eringer, sowie Kreuzungen) zusammen in einer Zuchtwertschätzung ausgewertet werden. Bei den Schlachtkategorien Bankkälber und Banktieren stammen die Schlachttiere mehrheitlich aus der konventionellen Mast. Die Absetzer sind ausschliesslich als Natura-Beef geschlachtete Tiere. Die Information, ob ein Tier als Natura-Beef geschlachtet wurde, kommt aus der Meldung vom Schlachthof aufgrund des Zertifikats.
Neben den bereits im bisherigen Modell definierten Umwelteffekten (Schlachtalter, Geschlecht, Schlachthof, Klassierer, Betrieb*Jahr) werden zwei weitere Umwelteffekte eingeführt: Jahr*Saison und Rassekombination Vater*Mutter.
Für den Effekt Jahr*Saison ist der Sinn zum Beispiel das Futterangebot innerhalb eines Jahres und eine bestimmte Saison besser zu berücksichtigen. Für den Effekt Rassekombination soll der Effekt einer Vaterrasse kombiniert mit einer bestimmten Mutterrasse besser berücksichtigt werden. Beim Modell für Natura-Beef ist der erste neue Effekt nicht Betrieb*Jahr sondern Betrieb. Grund dafür ist, dass Effektstufen eine genügend grosse Besetzung brauchen, um sicher geschätzt werden zu können und dies in dieser Schlachtkategorie nicht der Fall ist.
Modell
Beim Modell für Natura-Beef ist der zufälligen Effekt nicht Betrieb*Jahr sondern Betrieb.
Auf den Diagonalen sind die Heritabilitäten («Erblichkeit») und Off-Diagonal sind die genetischen Korrelationen (d.h. die genetischen Zusammenhänge). Die Heritabilität für Fleischigkeit ist in einem ähnlichen Bereich bei Bankkälbern, Natura-Beef, Banktieren. Dagegen ist die Heritabilität für Fettabdeckung und Schlachtgewicht bei Natura-Beef höher als bei Banktieren und Bankkälbern. Die genetische Korrelation von Schlachtgewicht zu Fleischigkeit oder zu Fettabdeckung ist über alle Schlachtkategorien positiv und in einem mittleren Bereich. Dagegen ist die genetische Korrelation zwischen Fleischigkeit und Fettabdeckung in einem tiefen Bereich und verhält sich in jeder Schlachtkategorie leicht anders. Eine biologische Interpretation daraus zu ziehen, ist grundsätzlich schwierig, da in der Mehrrassen-Auswertung auch die Möglichkeit besteht, dass sich die Korrelationen nicht in allen Rassen gleich verhalten.
Bankkälber
H2/ gen.Korr |
F | FET | SG |
F | 0.38 | 0.19 | 0.46 |
FET | 0.22 | 0.30 | |
SG | 0.18 |
Natura-Beef
H2/ gen.Korr |
F | FET | SG |
F | 0.42 | -0.06 | 0.45 |
FET | 0.39 | 0.42 | |
SG | 0.55 |
Banktiere
H2/ gen.Korr |
F | FET | SG |
F | 0.39 | 0.01 | 0.40 |
FET | 0.25 | 0.21 | |
SG | 0.20 |
Abbildung 2: Genetische Parameter der Fleischmerkmale. F: Fleischigkeit; FET: Fettklasse; SG: Schlachtgewicht; Diagonal sind die Heritabilitäten dargestellt und in den Off-Diagonalen die genetischen Korrelationen der Merkmale.
Die Schlachtdaten, das Pedigree und die genetischen Parameter sind die Input-Daten für die Zuchtwertschätzung. Mit diesem optimierten Modell erhält die genomische Selektion für Schlachtmerkmale eine signifikante verbesserte Ausgangslage.
Genomische Selektion für Limousin
Für die Berechnung der direkt-genomischen Zuchtwerte (DGZW) werden die konventionellen Zuchtwerte von Tieren mit hohen Sicherheiten genutzt. Aufgrund dieser werden anschliessend Effekte berechnet und diese anhand des Genotyps zum DGZW verrechnet. Hier werden, im Gegensatz zur konventionellen ZWS, nur Limousin-Tiere berücksichtigt. Um die Sicherheit der genomischen Zuchtwerte zu berechnen, werden die 100 jüngsten Tiere vom ursprünglichen Trainingsdatensatz (also der Tiere mit sicheren Zuchtwerten aus der konventionellen ZWS) aus der Effektschätzung ausgeschlossen (Validierungs-Tiere). Mit den restlichen Tieren wird eine separate Effektschätzung durchgeführt. Die Sicherheit der DGZW aller Tiere resultiert aus der Übereinstimmung zwischen dem DGZW und den Zuchtwerten aus der Nachzuchtprüfung der Validierungs-Tiere. Die Resultate werden in Abb. 3 gezeigt.
Merkmal | Anzahl Trainingstiere | B% DGZW |
FNB | 2924 | 0.309 |
FETNB | 2937 | 0.402 |
SGNB | 3021 | 0.232 |
FMT | 1991 | 0.322 |
FETMT | 1794 | 0.177 |
SGMT | 1860 | 0.220 |
Abbildung 3: Sicherheit der direkt-genomischen Zuchtwerte für Limousin, sowie Anzahl der Tiere in der Effektschätzung.
NB: Nautra-Beef; MT: Banktiere; F: Fleischigkeit; FET: Fettabdeckung; SG: Schlachtgewicht
Die dritte Spalte zeigt die Sicherheit der DGZW bei Limousin für die Schlachtmerkmale in den Kategorien Banktiere und Nautra-Beef. Bei den Bankkälbern ist die Anzahl Trainingstiere unter 1000 und somit nicht publizierbar. Grosse Veränderungen in der Trainingspopulation können zu starken Schwankungen bei den Zuchtwerten führen. Daher werden für Bankkälber derzeit keine genomischen Zuchtwerte eingeführt. Die Sicherheiten der anderen beiden Kategorien sind deutlich höher als die Sicherheiten der Abstammungszuchtwerte. Damit macht eine Einführung der genomischen Selektion für die Schlachtmerkmale dieser beiden Schlachtkategorien Sinn.