Überarbeitung Zuchtwertschätzung Geburtsmerkmale

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Um den Züchtenden immer genauere Informationen zur Verfügung stellen zu können, werden die Zuchtwertschätzungen von Zeit zu Zeit überprüft und angepasst. Mit der neuesten Überarbeitung der Zuchtwertschätzung «Geburtsablauf» können für weitere Merkmale Zuchtwerte eingeführt werden. Bei Beef gibt es neu Zuchtwerte für maternale Merkmale, sowie genomische Zuchtwerte für Limousin und bei Dairy wird zusätzlich das Merkmal Trächtigkeitsdauer publiziert.

Foto: Céline Haas

Nachdem in den letzten Jahren bereits die Zuchtwertschätzungen (ZWS) für Absetzmerkmale und Schlachtmerkmale aktualisiert wurden, konnte nun noch die ZWS für Geburtsmerkmale revidiert werden. Grund für die Überarbeitung sämtlicher ZWS war einerseits eine Anpassung der Prozesse, um den automatisierten Qualitätsstandard zu gewährleisten und die verwendete Software auf die Arbeitsumgebung der Server bei der Qualitas AG anzupassen. Andererseits wurden die genetischen Parameter neu geschätzt, und die Modelle unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Züchtenden sowie der internationalen Zusammenarbeit angepasst. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Optimierung der Ausgangslage für genomische ZWS.

Phänotyp – Geburtsdaten

Die Basis der ZWS für Geburtsmerkmale bilden die auf den Betrieben erhobenen Merkmale Geburtsgewicht (kg) und Geburtsablauf (1-4). Um mit dem Merkmal Geburtsablauf numerisch in einem ähnlichen Bereich wie Geburtsgewicht und Trächtigkeitsdauer zu sein, wurden die Werte transformiert. Dabei wurde auch gleich die Skala gedreht, damit anschliessend bei der ZWS hohe Zahlen wieder für eine leichte Geburt stehen (300 = keine Hilfe, 200 = leichte Hilfe und 100 = schwere Hilfe und Kaiserschnitt). Für den Einsatz von Fleischrinderstieren auf Milchvieh wurde zusätzlich das Besamungsdatum berücksichtigt, um die Trächtigkeitsdauer (Tage) zu berechnen.

Modelle

Zuchtwerte werden mit sogenannten gemischten linearen Modellen geschätzt. Mit solchen Modellen wird versucht, die Umwelteffekte möglichst gut von den genetischen Effekten (Zuchtwerte) der Tiere zu trennen. Dabei ist der erste Schritt, die zu selektierenden Merkmale zu definieren (Tabelle 1).

Nutzungsart Merkmal
Mutterkuhhaltung – Beef Geburtsablauf direkt

Geburtsablauf maternal

Geburtsgewicht direkt

Geburtsgewicht maternal

Milchviehhaltung – Dairy Geburtsablauf direkt

Geburtsgewicht direkt

Trächtigkeitsdauer direkt

Tabelle 1: Merkmale für die Zuchtwertschätzung Geburtsmerkmale

Im bisherigen Modell wurde nur zwischen den Nutzungsarten Beef und Dairy unterschieden und diese in einem 6-Merkmalsmodell ausgewertet. Neu werden die Merkmale in zwei Modellen (Beef, Dairy) ausgewertet. Die Auftrennung erlaubt die Nutzungsart besser zu trennen. Die Auswertungen erfolgen in Mehrrassen-Auswertungen. Dies bedeutet, dass alle Rassen mit Zuchtwertschätzung (Simmental, Swiss Fleckvieh, Holstein, Brown Swiss, Original Braunvieh, Jersey, Montbéliard, Angus, Aubrac, Charolais, Limousin, Hereford, Grauvieh, Blonde d’Aquitaine, Salers, Piemontese, Eringer, sowie Kreuzungen) zusammen in einer Zuchtwertschätzung ausgewertet werden. Die Information, ob ein Tier als Beef vs. Dairy geboren wurde, wird anhand des Zuchtverbandes, bei dem der Abkalbebetrieb Mitglied ist, zugeordnet.

Neben den bereits im bisherigen Modell definierten Umwelteffekten (Geschlecht, Jahr*Monat, Laktationsnummer innerhalb Mutterrasse*Altersquartil, Rassenkombination) wird zusätzlich der Umwelteffekt Abkalbealter berücksichtigt. Weiter wurden für Beef noch die maternalen Aspekte angeschaut.

Modell

Geschlecht (fix)
Jahr*Saison (fix)
Abkalbealter (Kovariable)
Rassenkombination (fix)
Laktationsnummer (fix)
Permanenter Umwelteffekt (zufällig)
Betrieb*Jahr (zufällig)
Tier (zufällig)

Beim Modell für Beef ist der zufälligen Effekt nicht Tier sondern Tier und Mutter.

Aus den Modellen wurden die genetischen Parameter geschätzt. Diese sind in Abbildung 1 dargestellt. Auf den Diagonalen sind die Heritabilitäten («Erblichkeit») und Off-Diagonal sind die genetischen Korrelationen (d.h. die genetischen Zusammenhänge). Die Heritabilität für Geburtsablauf direkt ist in einem ähnlichen Bereich bei Beef und Dairy. Dagegen ist die Heritabilität von Geburtsgewicht direkt zirka doppelt so hoch wie für Dairy. Die Heritabilität für maternale Merkmale für Beef sind tiefer als direkte Merkmale. Die Heritabilität für Trächtigkeitsdauer bei Dairy entspricht den Werten aus den Modellen der Milchviehzuchtverbände. Die genetischen Zusammenhänge zwischen Geburtsablauf und Geburtsgewicht sind negativ. Das heisst je schwerer ein Kalb wird, desto höher ist das Risiko für eine schwere Geburt. Bei Beef sind die genetischen Korrelationen bei Geburtsablauf und bei Geburtsgewicht zwischen den direkten und den maternalen Merkmalen ebenfalls negativ. Die Interpretation von direkten und maternalen Merkmalen wird anhand eines Beispiels erklärt.

Beef

h2/
gen.corr
GAdbeef GGdbeef GAmbeef GGmbeef
GAdbeef 0.17 -0.63 -0.53 0.39
GGdbeef 0.47 0.24 -0.72
GAmbeef 0.09 -0.24
GGmbeef 0.08

Dairy

h2/
gen.corr
GAddairy GGddairy TDddairy
GAddairy 0.11 -0.68 -0.31
GGddairy 0.20 0.38
TDddairy 0.53

Abbildung 1: Genetische Parameter der Geburtsmerkmale. GA: Geburtsablauf, GG: Geburtsgewicht, TD: Trächtigkeitsdauer, d: direkt, m: maternal. Diagonal sind die Heritabilitäten dargestellt und in den Off-Diagonalen die genetischen Korrelationen der Merkmale.

Hier ein Beispiel, um die Interpretation der Zuchtwerte und die genetischen Zusammenhänge vom Beef-Teil für Geburtsgewicht und Geburtsablauf zu verstehen:

Stiere /
ZW Beef-Teil
GGdbeef GGmbeef GAdbeef GAmbeef
Stier A 114 86 91 105
Stier B 91 116 120 88

Wenn wir zwei Stiere A und B haben, wobei A einen hohen Zuchtwert für GGdbeef und B einen tiefen Zuchtwert für GGdbeef hat, dann sind die Kälber von Stier A leichter als die Nachkommen vom Stier B. Die Töchter von Stier A (tiefer Zuchtwert GGmbeef) bringen dann aber eher schwere Kälber zur Welt als die Töchter von Stier B (hoher Zuchtwert GGmbeef). Wenn B einen hohen Zuchtwert für GAdbeef und A einen tiefen Zuchtwert für GAdbeef hat, dann gebären die Kälber von Stier B öfter ohne Hilfe als die Nachkommen von Stier A. Die Töchter von Stier B (tiefer Zuchtwert GAmbeef) haben mehr Schwierigkeiten bei der Geburt als die Töchter von Stier A (hoher Zuchtwert GAmbeef).

Zuchtwertschätzung Geburtsmerkmale für Praktikerinnen und Praktiker: mehr Infos hier.

Die Geburtsdaten, das Pedigree und die genetischen Parameter sind die Daten, die für die ZWS gebraucht werden. Die Basis für die ZWS für Dairy ist leider zu klein für Aubrac und Charolais, deswegen werden für diese Rassen keine Zuchtwerte für die Dairy-Merkmale mehr publiziert. Zu beachten ist, dass die Richtung der Zuchtwerte für Geburtsgewicht und Trächtigkeitsdauer anders ist als diejenige der Phänotypen. Das heisst, je höher ein Zuchtwert für Geburtsgewicht, desto leichter das Geburtsgewicht und je höher ein Zuchtwert für Trächtigkeitsdauer, desto kürzer die Trächtigkeitsdauer. Mit dem beschriebenen optimierten Modell erhält die genomische Selektion für Geburtsmerkmale eine signifikant verbesserte Ausgangslage.

Genomische Selektion für Limousin

Für die Berechnung der direkt-genomischen Zuchtwerte (DGZW) werden die konventionellen Zuchtwerte von Tieren mit hohen Sicherheiten genutzt. Aufgrund dieser werden anschliessend Effekte berechnet und diese anhand des Genotyps zum DGZW verrechnet. Hier werden, im Gegensatz zur konventionellen ZWS, nur LimousinTiere berücksichtigt. Um die Sicherheit der genomischen Zuchtwerte zu berechnen, werden die 100 jüngsten Tiere vom ursprünglichen Trainingsdatensatz (also der Tiere mit sicheren Zuchtwerten aus der konventionellen ZWS) aus der Effektschätzung ausgeschlossen (Validierungs-Tiere). Mit den restlichen Tieren wird eine separate Effektschätzung durchgeführt. Die Sicherheit der DGZW aller Tiere resultiert aus der Übereinstimmung zwischen dem DGZW und den Zuchtwerten der Validierungs-Tiere. Die Resultate werden in Abb. 2 gezeigt.

Merkmal Anzahl Training Validierungs-sicherheit
GGdbeef 5294 0.349
GGmbeef 3454 0.538
GAdbeef 3582 0.546
GAmbeef 2088 0.414

Abbildung 2: Sicherheit der direkt-genomischen Zuchtwerte für Beef-Merkmale für Limousin, sowie Anzahl der Tiere in der Effektschätzung

Die dritte Spalte zeigt die Sicherheit der DGZW bei Limousin für die Geburtsmerkmale bei Beef. Bei Dairy ist die Anzahl Trainingstiere unter 1000 und somit nicht publizierbar. Grosse Veränderungen in der Trainingspopulation können zu starken Schwankungen bei den Zuchtwerten führen. Daher werden für Dairy derzeit keine genomischen Zuchtwerte eingeführt. Die Trainingspopulationen für die Beef Merkmale sind, wie in der zweiten Spalte ersichtlich, gross genug und auch die gefundenen Validierungssicherheiten sind hoch genug, um eine Einführung der genomischen Zuchtwerte zu erlauben.

Neuerungen ab dem 5. April 2022

+ Revision der konventionellen ZWS Geburtsmerkmale wird für sämtliche ZWS-Rassen eingeführt.

+ Neue ZWS für Geburtsgewicht und Geburtsablauf maternal Beef für Angus, Aubrac, Charolais, Limousin, Original Braunvieh und Simmental werden publiziert.

+ Keine ZW für Geburtsgewicht und Geburtsablauf Dairy für Aubrac und Charolais mehr.

+ Genomische Zuchtwerte für Limousin bei Geburtsmerkmale Beef werden eingeführt.

+ Die Interpretation für Geburtsgewicht und Trächtigkeitsdauer hat sich geändert, da die Richtung gedreht wurde.