Was Ökobilanzen mit Digitalisierung verbindet

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Am 26.11.2019 hat die 11. Ökobilanz Plattform am Agroscope stattgefunden. Marina Kraus hat die Tagung, die der Digitalisierung und Automatisierung in der Landwirtschaft und deren Auswirkungen auf Ökobilanzen und Umweltindikatoren gewidmet war für Qualitas besucht. In den Fachvorträgen sind vor allem Online-Tools zur Datenerfassung sowie Methoden zur Verwendung von Daten von Umweltindikatoren vorgestellt worden. Das World-Café hat allen Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben, sich aktiv in Diskussionen zur Digitalisierung in der Landwirtschaft einzubringen.

Bereits mit der Veröffentlichung des Programms war abzusehen, dass die Vorträge der Fachreferenten spannend werden würden. Während in einigen Vorträgen bestehende Tools und Systeme vorgestellt werden sollten, die hauptsächlich auf die Erfassung von Daten ausgelegt sind, wurde in anderen Referaten auf die diversen Fragen der Datennutzung eingegangen.

Online-Tools im Fokus

Barto bezeichnet sich selbst als digitaler Hofmanager. Jürg Guggisberg hat die Bausteine „Suissebilanz“, „Wiesen- und Auslaufjournal“ sowie „Tierverkehr“ vorgestellt, die bei Barto derzeit im Angebot sind und Einblick in die geplanten Erweiterungen für 2020 gegeben.

Im Anschluss haben Raymond Mortagui, Raphaël Althaus und Sandie Masson von AGRIDEA die Online-Datenerfassung für Direktzahlungsanforderungen mit ACORDA vorgestellt. Während einer Live-Demo haben sie den Teilnehmenden der Fachtagung vorgeführt, wie die am Projekt teilnehmenden Betriebe in den Kantonen Genf, Waadt, Neuenburg und Jura ihre Daten online erfassen.

Daten nicht nur erfassen, sondern auch nutzen

Sonja Kay von Agroscope hat sich mit Daten für eine standortangepasste landwirtschaftliche Nutzung auseinandergesetzt. Sie nutzt Daten aus lokalem, regionalem, kantonalem und nationalem Kartenmaterial, um Aussagen über das Klima, die Bodenart, die primäre Bodennutzung, die Landklassifizierung oder den Umweltzustand abzuleiten. Da viele dieser Daten je nach Ursprung in unterschiedlicher Aktualität und Auflösung zur Verfügung stehen, ist die Auswertung nicht unbedingt einfach. Bei diesem Projekt wird deutlich, dass die fortschreitende Digitalisierung und die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenzen ein Schritt in die richtige Richtung sein könnten, um bestehende Datensammlungen sinnvoll zu nutzen und nicht nur für einzelne Anwendungen zu verwenden.

Im Anschluss hat Pierre-Henri Dubuis gezeigt, wie Agrometeo mit verschiedenen meteorologischen Daten gezielte Prognosen und Managementhilfen für die Schweizer Landwirtschaft in Pflanzenbau erstellt. Die Plattform nutzt bereits heute frei zugängliche Wetterdaten sowie ein schweizweites Messnetz. Mithilfe diverser Prognosemodelle werden Infektionsrisiken von Pflanzenkrankheiten abgeschätzt und Entscheidungshilfen im Pflanzenschutz geboten.

World-Café zur Digitalisierung in der Landwirtschaft

Das World-Café ist ein Diskussionsformat, bei dem alle Interessierten in kleinen, wechselnden Gruppen zu bestimmten Themen diskutieren. Für das knapp einstündige Programm haben die Organisatoren der Ökobilanz Plattform im Vorfeld vier Themenblöcke festgelegt:

Was könnten Chancen und Risiken durch die Digitalisierung in der Landwirtschaft sein?
Welche Hemmnisse in Bezug auf Datenschutz, Datenhoheit und Zugang müssten prioritär beseitigt werden?
Wo braucht es zusätzliche Forschung und Entwicklung?
Welche vielversprechenden Technologien und Anwendungen gibt es durch die Digitalisierung in der Landwirtschaft?

Da die Qualitas die Charta zur Digitalisierung der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft unterzeichnet hat und sich zur Partizipation im früheren Ressort Datenschutz und -hoheit gemeldet hat, habe ich mich als erstes für diesen Themenschwerpunkt entschieden. Die Meinungen, oder besser gesagt die Auffassungen zum Schlagwort Datenschutzliefern viel Anlass für Diskussionen und es bestehen viele Vorurteile oder Ängste aufseiten der Nutzer.

Niemand möchte, dass seine Daten öffentlich zugänglich sind, und schon gar nicht, wenn es sich um persönliche und betriebliche Daten handelt. Soweit waren sich alle Teilnehmer der Diskussionsrunde einig. Es stellt sich aber durchaus die Frage, wozu Digitalisierung, Online-Tools und Datenerfassung in immer umfangreicheren Mass und futuristischer Weise betreiben, wenn die Daten im Anschluss nur für den Einzelnen und nicht für die Allgemeinheit genutzt werden (dürfen)? An diesem Punkt gehen die Meinungen dann auseinander.

Grundsätzlich soll Datenschutz natürlich dazu dienen, Informationen und damit die Privatsphäre von Nutzern zu schützen. Und dies ist auch wichtig, denn bei vielen Anwendungen können die Nutzer gar nicht entscheiden, ob sie ihre Daten in einem System erfassen wollen oder nicht. Wer zum Beispiel Direktzahlungen beziehen will, ist zur Datenerfassung verpflichtet. Hier versteht sich von selbst, dass diese Daten einen hohen Schutz geniessen müssen.

Diese und andere grosse Datenmengen liefern wichtige Informationen über Bedürfnisse und Trends in unserer Gesellschaft und somit auch in der Landwirtschaft. Anonymisierten Daten, die nicht auf eine einzelne Person oder zum Beispiel einen landwirtschaftlichen Betrieb zurückzuführen sind, sind also Treiber für neue Entwicklungen und Innovationen. Sie tragen dazu bei, dass Systeme verbessert, vereinfacht oder neu erfunden werden können. Der Begriff des Datenschutzes sollte deshalb in einer digitalen Welt und in einer digitalen Landwirtschaft nicht als eine völlige Restriktion des Zugangs zu Daten verstanden, sondern als Schutz der Persönlichkeit – egal ob Einzelperson oder Betrieb.

Hätte nicht allen Teilnehmern der Magen geknurrt, hätte sich die Diskussion zu diesem Thema wohl noch um einiges länger hingezogen, denn die Meinungen sind so vielfältig wie die Daten, die erfasst werden.

Zugänglichkeit und Datenschutz

Der Nachmittag hat mit einem ebenso spannenden Programm angeknüpft. Jens Lansche von Agroscope hat das Projekt SALCAfuture (Swiss Agricultural Life Cycle Assessment) vorgestellt, wobei es sich um eine Ökobilanzmethode handelt. Gleich im Anschluss hat Alain Valsangiacomo (Agroscope) die Digitalisierung und den Umgang mit Daten anhand der zentralen Auswertung der Umweltweltindikatoren aufgezeigt.

Beide Projekte verfolgen den Ansatz, möglichst viele bestehende Daten zu nutzen, stehen aber vor den gleichen Herausforderungen. Die unterschiedliche Auflösung und Zugänglichkeit der Daten, die rasante Weiterentwicklung bestehender Software, sowie zufrieden stellende Konzepte in Bezug auf Transparenz und Datenschutz, sind in beiden Projekten wichtige Aspekte.

SALCAfuture ist deshalb ein webbasiertes Tool, das moderne IT Standards berücksichtigt, hohe Anforderungen an den Datenschutz stellt und gleichzeitig ein flexibles Konzept verfolgt, um auf sich schnell ändernde Bedürfnisse in der Praxis zu reagieren. Bei den Agrarumweltindikatoren werden die verfügbaren Daten über eine externe Stelle – in diesem Fall der Treuhandverband Landwirtschaft –  anonymisiert und erst danach für Auswertungen zur Verfügung gestellt. Dadurch werden Rückschlüsse auf einzelne Betriebe möglichst verhindert, was je nach Datentyp gar nicht so einfach ist.

Digitale Landwirtschaft – die Entwicklung der digitalen Landwirtschaft zeigt, dass bereits viele Daten erfasst werden. Der Schritt hin zu einer vollumfassenden Nutzung steht uns allerdings noch bevor. (Bildquelle: Accenture)

Fazit

Gesamthaft ist an der Ökobilanz Plattform 2019 deutlich geworden, dass bereits heute sehr viele landwirtschaftliche Daten erfasst werden. Weniger weit ist die effektive Auswertung und Nutzung dieser Datenpools. Fast alle der vorgestellten Projekte sehen sich mit den gleichen oder ähnlichen Fragestellungen konfrontiert. Bei der weiteren Digitalisierung in der Landwirtschaft sind der Zugang, die Qualität und die Auswertung der Daten sowie ein umfassender und vertrauenswürdiger Datenschutz die grössten Herausforderungen.

Welche Lösungen sind also gefragt für eine zukunftsweisende Digitalisierung in der Landwirtschaft? Standardisierte Schnittstellen und ein homogenerer Aufbau der Datensätze würden eine effizientere Nutzung der Daten erleichtern. Transparente Datenflüsse und anonymisierte Daten für Auswertungen geben allen Nutzern die Möglichkeit nachzuvollziehen, wohin Informationen fliessen und gleichzeitig die gewünschte Sicherheit, dass die eigenen Daten stets geschützt bleiben.