Neu im Juli 2019: Update Zuchtwertschätzung Absetzgewicht

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Das Wachstum eines Kalbes sowie die Milchleistung einer Mutterkuh sind relevante Merkmale für die Selektion der Zuchtremonten in einer Mutterkuh Herde. Das Merkmal ‘Absetzgewicht-direkt’ bildet das Wachstumpotential eines Kalbes ab, das Merkmal ‘Absetzgewicht-maternal’ die Milchleistung Kuh.

Eine Zuchtwertschätzung für Absetzgewichtsmerkmale gibt es in der Schweiz seit 1998. Die letzte Anpassung stammt aus dem Jahr 2012.

Kalb beim Milchtrinken

Quelle: Familie Galliker, Gunzwil.

Datengrundlage

Die Daten für das Absetzgewicht stammen aus Wägungen im Rahmen der Fleischleistungskontrolle (FLEK), welche durch Verbandsexperten auf den Herdebuchbetrieben von Mutterkuh Schweiz vorgenommen werden. Diese Wägungen finden im Alter zwischen 90 und 320 Tagen statt. Für die Zuchtwertschätzung wird im Fall von zwei erfassten Wägungen in dieser Periode nur die letzte berücksichtigt.

Projektidee

Von allen Betrieben, die bei Mutterkuh Schweiz registriert sind, sind lediglich 20% Herdebuchbetriebe. Diese Betriebe liefern ihre Daten der Wägungen aus der FLEK in die Zuchtwertschätzung Absetzgewicht. Die restlichen 80%, und damit bei Weitem der grösste Anteil der Betriebe, sind Produktionsbetriebe, die nach den Anforderungen von NaturaVeal, NaturaBeef und SwissPrimBeef produzieren, aber auf die FLEK verzichten.

In diesen Produktionsbetrieben werden keine Absetzgewichte erhoben. Jedoch stehen von diesen Betrieben die Proviande-Daten aus der Schlachtung der Mastremonten, wie zum Beispielt CHTAX, Fettklasse und Schlachtgewicht, zur Verfügung. Verknüpft sind beide Betriebskategorien über einen kategorieübergeifenden Stiereinsatz. Das heisst, dass ein Stier sowohl Nachkommen in den Herdbuchbetrieben sowie in den Produktionsbetrieben haben kann. Da NaturaBeef-Kälber direkt von der Kuh abgesetzt und geschlachtet werden, könnte sich das Schlachtgewicht dieser Kälber als Hilfsmerkmal für die beiden Merkmale ‘Absetzgewicht-direkt’ und ‘Absetzgewicht-maternal’ eignen. Diese sind die eigentlichen Zielmerkmale in der Zuchtwertschätzung Absetzgewicht.

Durch dieses Vorgehen könnten wir die Datengrundlage vergrössern und die Genauigkeit der Zuchtwertschätzung für die Zielmerkmale Absetzgewicht erhöhen. Entscheidend für den Profit aus diesem Ansatz sind unter anderem die genetischen Korrelationen zwischen den Hilfs- und Zielmerkmalen (rg), sowie die Datenmengen. Das Problem der Datenmenge der Hilfsmerkmale stellt sich bei den Schlachtdaten nicht. Da die genetische Korrelation zwischen Schlacht- und Absetzgewicht bisher nie geschätzt wurde, war diese Fragestellung der Kern unseres Projekts.

Resultate aus der Schätzung der genetischen Parameter mit Natura-Beef Schlachtgewicht als Hilfsmerkmal

Erblichkeiten und genetische Korrelation Geburtsgewicht und Natura-Beef Schlachtgewicht
AGD
AGM
GG
SG
AGD 0.22 -0.10 0.44 0.49
AGM 0.05 -0.04 0.38
GG 0.24 0.71
SG 0.40

Tabelle 1: Erblichkeiten und genetische Korrelation für die Merkmale ‘Absetzgewicht-direkt’ (AGD) und ‘Absetzgewicht-maternal’ (AGM) und die Hilfsmerkmale Geburtsgewicht (GG) und Natura-Beef Schlachtgewicht (SG).

Allein anhand von Tabelle 1 und den darin abgebildeten genetischen Korrelationen 0.49 und 0.38 zwischen AGD / AGM und SG würden wir von einer günstigen Situation ausgehen. Leider aber ergaben sich hohe Standardfehler (> 0.05), insbesondere zwischen SG und AGM, so dass wir von der Schätzung nicht vollumfassend überzeugt waren. Schlussendlich haben wir uns dazu entschieden, auf eine Anpassung beim Modell der Zuchtwertschätzung Absetzgewicht durch eine Erweiterung um das Hilfsmerkmal Schlachtgewicht zu verzichten.

Über die Ursachen für diese Ergebnisse kann man spekulieren. Ein Punkt könnte die mangelnde genetische Verknüpfung zwischen Herdebuch- und Produktionsbetrieb sein, welcher z.B. durch einen unterschiedlichen Stiereinsatz in den beiden Betriebskategorien ausgelöst sein könnte. Ein weiteren Punkt ist sicher die suboptimale Datenstruktur, um die Schätzung von maternalen Effekt zu berechnen.

Modell Zuchtwertschätzung

Das Modell für die Auswertung der Absetzgewichtsmerkmale ist ein Mehrmerkmalsmodell mit zufälligem Tiereffekt und für Absetzgewicht zusätzlich mit einem zufälligen maternalen Effekt. Berücksichtigt werden ausserdem die folgenden Effekte:

berücksichtigte Effekte
Erblichkeiten und genetische Korrelation Geburtsgewicht
AGD
AGM
GG
AGD 0.31 -0.25 0.43
AGM 0.08 0.12
GG 0.33

Tabelle 2: Erblichkeiten und genetische Korrelation ‘Absetzgewicht-direkt’ (AGD) und ‘Absetzgewicht-maternal’ (AGM) und das Hilfsmerkmal Geburtsgewicht (GG).

Die aktuelle Schätzung zeigte eine mittlere Erblichkeit im Merkmal GG und AGD, sowie eine tiefe Erblichkeit für AGM.

Kürzlich wurde während des Interbeef & ICAR Meetings 2019 in Prag betont, dass diese negative genetische Korrelation zwischen AGD und AGM ein statistisches Artefakt und bei den meisten Interbeef Mitgliedern ersichtlich ist. Dies wurde in der Präsentation des Projektes “a single-step, multi-trait genomic evaluation model increase the accuracy for suckling performance in beef cows” von Alexis Michenet aufgezeigt. In diesem Projekt war die genetische Korrelation zwischen AGD und Milchleistung (MY = Wägung des Kalbes vor und nach dem Saufen bei der Mutterkuh) beinahe null und die genetische Korrelation zwischen AGM und MY stark positiv.

Rassenkonstanten – genetische Unterschiede zwischen den Rassen

Die Zuchtwertschätzung Absetzgewicht ist eine Mehrrassenauswertung. Daher kann man aus den Basisjahrgängen die Rassenkonstanten der Merkmale herleiten, welche die relativen genetischen Unterschiede zwischen den Rassen darstellt.

In den Abbildungen 1 und 2 ist zu sehen, dass die Rassen CH19 = Charolais, OB19 = Original Braunvieh, SI19 = Simmental und LM19 = Limousin ein höheres genetisches Potenzial im Merkmal ‘Absetzgewicht-direkt’ (also Wachstum des Kalbes) haben, als die Rassen AU19 = Aubrac, AN18 = Angus und BV19 = Braunvieh. Entgegensetzt ist die relative Lage der Populationen im Merkmal ‘Absetzgewicht-maternal’: BV19 = Braunvieh, SI19 = Simmental und OB19 = Original Braunvieh haben genetisch ein höheres Vermögen für die Milchproduktion als CH19 = Charolais, AN18 = Angus, AU19 = Aubrac und LM19 = Limousin.

Diese Beobachtung aus der Zuchtwertschätzung deckt sich mit der gängigen Einschätzung in der Praxis. Interessant ist ausserdem die Positionierung der Doppelnutzungsrassen (Original Braunvieh und Simmental), welche in beiden Merkmalen im Vergleich zu den spezialisierten Mastrassen gut positioniert sind.

Absetzgewicht direkt
Absetzgewicht maternal

Abbildung 1: Rassenkonstante für Absetzgewicht direkt.

Abbildung 2: Rassenkonstante für Absetzgewicht maternal

Genetische Trends

Der genetische Trend, also der Verlauf der durchschnittlichen Zuchtwerte in Abhängigkeit der Geburtsjahre, liefert eine Aussage darüber, in welche Richtung sich eine Population in den letzen Jahren genetisch bewegt hat.

Praktisch alle Rassen haben aktuell einen positiven genetischen Trend im Merkmal Absetzgewicht direkt, wie in Abbildung 3 dargestellt. In Abbildung 4 ist zu erkennen, dass der Trend im Merkmal ‘Absetzgewicht-maternal’ weniger einheitlich über die Rassen hinweg ist. So haben wir einen leicht positiven Trend im Merkmal ‘Absetzgewicht-maternal’ bei Charolais, Limousin und Original Braunvieh. Simmental dagegen zeigt ein Plateau, und bei Angus und Aubrac wurde ein relativ starker negativer genetischer Trend festgestellt.

Genetischer Trend direkt
Genetischer Trend maternal

Abbildung 3: Genetische Trend für Absetzgewicht direkt

Abbildung 4: Genetische Trend für Absetzgewicht maternal

Zusammenfassung

Die Ergebnisse aus dem Projekt “Schlachtgewicht als Hilfsmerkmal in der Zuchtwertschätzung Absetzgewicht” haben leider eine Anpassung des Modells verhindert. So führen wir im Juli 2019 bezüglich der berücksichtigten Merkmale keine Änderung beim Modell durch. Die Erblichkeit für das Merkmal Absetzgewicht direkt liegt im mittleren Bereich (> 0.3), dagegen für Absetzgewicht maternal im tieferen Bereich.