Mit steigenden Temperaturen in den Sommermonaten machen sich Leistungseinbussen bemerkbar, Fruchtbarkeitsprobleme treten gehäufter auf und die Tiere sind im Allgemeinen unruhiger. Die MilchviehhalterInnen sind gefordert. Das Management und die Fütterung muss angepasst werden. Gibt es aber auch züchterische Massnahmen?
Die Sommermonate sind generell schon heisser als die restliche Zeit des Jahres. Mit dem Klimawandel wird das Problem noch ausgeprägter, weil die Temperaturen im Durchschnitt steigen. Schauen wir etwas mehr als 15 Jahre zurück und betrachten beispielsweise die nächste offizielle Meteostation für Zug in Luzern, ist generell für das ganze Jahr, aber auch für den Sommer, ein Aufwärtstrend nicht zu übersehen (Abbildung 1). Des Weiteren fallen auch immer mehr Temperatur- und Wetterschwankungen an. Aus diesen Tatsachen lässt sich ableiten, dass unsere Milchkühe immer öfters Hitzesituationen ausgesetzt sind. Es kommt hinzu, dass die Produktionsleistungen in den letzten Jahren gestiegen sind. Die dadurch erhöhten Stoffwechselleistungen gehen einher mit der Produktion von mehr Körperwärme. Weiter haben Alter und natürlich Trächtigkeitsstadium auch einen Einfluss auf die Stoffwechselleistungen.
Ab 16°C wird es heiss
Verschiedenste Untersuchungen zeigten, dass im Bereich von ca. 4 bis 16 °C Umgebungstemperatur eine Milchkuh im Durchschnitt am wenigsten sogenannte regulatorische Massnahmen aufwenden muss, um die Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Dies ist die thermoneutrale Zone. Unter 4 °C muss die Milchkuh Energie aufwenden, damit sie nicht friert. Steigen die Lufttemperaturen über 16 °C, muss überschüssige Körperwärme mit komplizierten Regelmechanismen an die Umgebung abgegeben werden. Dies kostet ebenfalls Energie. Ab einem gewissen Punkt ist eine Wärmeabgabe nicht mehr möglich und die Kuh schaltet automatisch auf interne physiologische Anpassungen um: Die Milchleistung wird gesenkt, die Fruchtbarkeit leidet oder die Krankheitsanfälligkeit steigt; klassisches Beispiel dazu ist die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mastitis. Treten diese Anzeichen auf, wird von Hitzestress gesprochen.
Auch die Luftfeuchtigkeit ist wichtig
Abbildung 2: THI-Werte (Temperature-Humidity-Index (NRC, 1971)) in Abhängigkeit von der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit
Für diese Belastungssituationen ist nicht alleine die Umgebungstemperatur verantwortlich, die Luftfeuchtigkeit spielt ebenfalls mit. Um beide Faktoren gleichzeitig berücksichtigen zu können, werden Temperatur und Luftfeuchtigkeit in einen Index umgerechnet. Dieser nennt sich THI (Temperature-Humidity-Index). In der Literatur existieren verschiedenste Berechnungsformeln dafür. In den vorliegenden Berechnungen wurde eine THI-Anwendung (NRC, 1971) gewählt, die oft für genetische Auswertungen verwendet wird. Das Zusammenspiel von Temperatur und Luftfeuchtigkeit und die daraus resultierenden Auswirkungen auf den THI bzw. auf die Kuh sind in Abbildung 2 ersichtlich.
Zucht auf Hitzetoleranz
Um diese Hitzestresssituationen möglichst zu vermeiden, müssen die Milchviehhalterinnen und -halter das Management und die Fütterung anpassen. Lüfter im Stall, Sprinkleranlagen oder Umstellung auf Nachtweide sind nur ein paar Stichworte dazu. In aktuellen Forschungsarbeiten weltweit ist die Zucht auf Hitzetoleranz ein brennendes Thema. Es zeigt sich, dass Rassen unterschiedlich auf Hitzestress reagieren. Innerhalb der Rassen können tierindividuelle Unterschiede identifiziert werden. Australien hat als erstes Land eine Zuchtwertschätzung für Hitzetoleranz entwickelt und in die Routineauswertungen aufgenommen. In Italien werden für Holsteintiere seit bald einem Jahr ZW für Hitzetoleranz publiziert. In Spanien, den USA oder Kanada sind intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet am Laufen. Die Heritabilitäten liegen im Bereich von 0.1 bis 0.2, was zeigt, dass dieses Merkmal züchterisch bearbeitbar ist. Es ist zu erwarten, dass im Ausland weitere Routine-ZWS eingeführt werden.
Slick-Gen gegen Hitzestress
In der Holsteinpopulation konnte ein Gen identifiziert werden, das positiv zur Hitzetoleranz beiträgt. Dieses wird dominant vererbt und bewirkt, dass Tiere ein kürzeres und glatteres Haarkleid haben. Somit sind sie resistenter gegen Hitze und reagieren weniger schnell darauf. Ursprünglich wurde dieses Gen in der Senepol-Rasse gefunden. inzwischen gibt es Holsteinzuchtprogramme, die sich auf dieses Slick-Gen spezialisiert haben. Dies ist eine Antwort, die zum Thema Zucht auf Hitzetoleranz einen positiven Beitrag leisten kann. Wahrscheinlich ist das Slick-Gen aber im ganzen Komplex der Hitzetoleranz oder der Stressresistenz generell nur eine Ursache und weitere Genorte spielen ebenfalls wichtige Rollen.
Hitzestress in der Schweiz
Im Rahmen einer Praktikumsarbeit bei Qualitas AG wollte man herausfinden, ab welchem THI-Wert Leistungseinbussen bei Schweizer Milchkühen eintreten und ob Rassenunterschiede bestehen. Dazu wurden sämtliche Testtagesergebnisse seit 2007 verwendet und mit den Wetterdaten des jeweiligen Standortes verknüpft. Die Wetterdaten stammen von den offiziellen Stationen von Meteo Schweiz. Mit einem statistischen Verfahren, welches an der Universität Guelph in Kanada entwickelt wurde, konnte auf der THI-Skala der Punkt ermittelt werden, bei dem die Leistungseinbussen beträchtlicher werden. Da Kühe am Anfang von Hitzestressperioden viel mehr Wasser aufnehmen, machen sich Leistungsminderungen nicht sofort bei der Milchmenge bemerkbar, sondern bei den Inhaltsstoffen. Am Beispiel Eiweiss geht dies aus der Abbildung 3 hervor. Erstlaktierende Brown-Swiss-(BS)-Kühe verzeichnen erste grössere Einbussen bei einem THI von 54.4, Originalbraunvieh (OB) bei 55.8. Bei den ausgewachsenen Kühen reagieren BS und OB praktisch identisch. Wieso BS und OB in der 1. Laktation unterschiedlich reagieren, könnte vielfältige Gründe haben. Was mehr erstaunt, ist die Tatsache, dass relativ früh Leistungseinbussen eintreten; auch wenn diese am Anfang natürlich gering sind.
Abbildung 3: Schwellen auf der THI-Skala, ab der bei der täglichen Eiweissmenge Leistungseinbussen eintreten
Wie weiter
Mit den vorgänging beschriebenen Methoden wird nun weiter untersucht, ob diese Reaktionsmuster bei anderen Merkmalen ähnlich sind. Zusätzlich wird evaluiert, wie gross die tierindividuellen Unterschiede auf genetischer Ebene ausschauen. Ob es in der Schweiz einmal eine ZWS «Hitzetoleranz» geben wird, müssen die Zuchtorganisationen entscheiden.
BORIS ZANDONA und BEAT BAPST