Die Zukunft unserer Ernährung

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Am 7. Februar 2020 hat das erste Future Food Symposium der Schweiz stattgefunden. Bei der Veranstaltung haben die Organisatoren von SGLWT, SVIAL und Swiss Food Research neuartige Lebensmittel, die Produktion von Fleischanalogen und zukunftsfähige Verpackungen in den Fokus gestellt. Über 100 Teilnehmende haben während der vielseitigen Vorträge Einblicke in Werte, Forschung und Lösungsansätze der Zukunft unserer Ernährung erhalten.

Das erste Schweizer Future Food Symposium ist im Technopark in Zürich zu Gast gewesen. Über 100 Teilnehmende aus Forschung, Wirtschaft und Verwaltung sind dem Aufruf der Schweizerischen Gesellschaft für Lebensmittel-Wissenschaft und -Technologie (SGLWT), dem Berufsverband der Hochschulabsolventen im Agro-Food-Bereich (SVIAL) und des Vereins Swiss Food Research gefolgt, um sich über die Zukunft unserer Lebensmittelproduktion zu informieren, auszutauschen und Netzwerke aufzubauen.

Nach der Eröffnung durch Peter Braun und Marc Lutz gibt Jean-Valentin de Saussure von der Swiss Youth for Climate einen Blick auf die Zukunft unserer Ernährungswirtschaft aus Sicht der Klimastreikenden. Er gibt mit klaren Fakten und unmissverständlichen Aussagen zu verstehen, dass die Klimakrise bereits jetzt auf unseren Tellern stattfindet. Der Vertreter der Klimajugend betont, dass unsere Ernährung direkten Einfluss auf den Klimawandel hat und es deshalb wichtig ist, dass wir gemeinsam als Gesellschaft unser Handeln nachhaltiger gestalten.

Eins und eins macht mehr als zwei

„Eins und eins macht mehr als zwei“ – dieses Motto stammt von Erich Windhab von der ETH. Er fordert zu mehr Vernetzung in der Schweizer Food Branche auf. Bestehende Technologien mit Forschungsergebnissen und Start-up Entwicklungen zu kombinieren, würde unserer Lebensmittelproduktion helfen, fit für die Zukunft zu werden.

Abbildung: Kombinationsmöglichkeiten für Vernetzung in der Schweizer Foodbranche. Quelle: Windhab, ETH am Future Food Symposium 2020.

Dass sich einiges ändern muss, sieht auch Tomas Nemecek von Agroscope so. Der Forscher, der sich unter anderem mit Ökobilanzen und den Umweltwirkungen unserer Ernährung befasst, zeigt auf, wie viel Reduktionspotenzial in der Schweizer Ernährungswirtschaft steckt. Voraussetzung dafür ist seinen Studien zufolge allem voran eine Ernährungsweise, die weniger Fleisch beinhaltet, da die tierische Produktion rund 50 % der Umwelteinflüsse des Schweizer Lebensmittelsektors verursacht. Und dass es bereits heute Alternativen zu tierischem Protein gibt, hat Alexander Mathys (ETH) in seinem Vortrag über die Proteine der Zukunft gezeigt. Ob Hülsenfrüchte oder Mikroalgen, die Palette an Ausweichmöglichkeiten zur Proteinproduktion sind vielfältig und bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Hier können wir in Zukunft also noch einiges erwarten.

Alles vegan? Beyond analogue & extreme

Der Frage, ob „Vegan“ derzeit Wunsch oder Wirklichkeit ist, ist Christoph Denkel von der HAFL nachgegangen. Seine Aussage, dass vegetarische und vegan Ernährung mehr und mehr zum Lifestyle wird, lässt darauf schliessen, dass der Markt für Fleischanaloge in Zukunft weiter wächst. Die Anbieter veganer und vegetarischer Produkte versuchen, unentschlossene Konsumenten durch mit Fleisch vergleichbaren Angeboten abzuholen – Vegi-Burger aus Soja oder Gehacktes aus Quorn sind keine Seltenheit mehr im Kühlregal der Supermärkte. Denkel betont aber, dass wir nicht nur Ersatzprodukte kreieren sollten, die wie Fleisch schmecken (wollen) und in den starren Kategorien von vegane, vegetarische oder fleischhaltige Ernährung denken sollten. Wir müssen weiter denken, also „beyond analogue“ und „beyond extreme“. Im Fokus neuartiger Lebensmittelentwicklungen könnte also viel mehr das Geschmackserlebnis, die Saftigkeit oder das Mundgefühl stehen, um neue Zielgruppen anzusprechen.

Legendär und zellulär

Raffael Wohlgensinger vom Start-up Legendairy Foods hat den Nachmittag mit dem provokanten Titel „Droht die Disruption der Kuh?“ gestartet. Die Gründer des junge Unternehmens mit Sitz in Berlin tüfteln an einer veganen Alternative für Käse und scheinen damit am Puls der Zeit zu entwickeln. Bisher haben sie zwar noch keine Produkte auf dem Markt, aber das Unternehmen will weiter wachsen und die Investoren sehen anscheinend Potenzial in der Käse-Kopie aus der deutschen Hauptstadt.

Im Anschluss verdeutlicht Flavio Rump von Food Visionaries den Teilnehmenden, wie viel Potenzial in neuen Technologien für die Produktion nicht tierischer Fleischanaloge mit Hilfe von zellulärer und nicht zellulärer Landwirtschaft steckt. Laut Rump könnte die Schweizer Ernährungswirtschaft in Zusammenarbeit mit den Early Adopters der Branche eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die Entwicklung neuartiger Lebensmittel geht. Es bleibt also spannend.

Abbildung: Produktionsprozess von Legendairy Foods. Quelle: Raffael Wohlgensinger, Legendairy Foods am Future Food Symposium 2020.

Abbildung: Der Markt für alternative Lebensmittel wächst enorm. Quelle: newprotein.org/maps

Abgerundet wurde das erste Schweizer Future Food Symposium mit einem Beitrag von Hannelore Daniel, Ernährungspsychologin an der TU München. Sie ging der Frage auf den Grund, ob wir zu sorglos im Umgang mit neuartigen Lebensmitteln sind. Mit viel Charme und einer Portion Zynismus geht sie an diese Frage heran, die in einem Wort oder auch in einem ganzen Buch beantwortet werden könnte. Auf ihre lockere Art reibt sie den Teilnehmenden EU Vorschriften für Lebensmittel unter die Nase und die teilweise Absurdität, wie diese Vorschriften bei neuartigen Lebensmitteln – im Vergleich zu traditionellen – angewendet werden. Sorglos ist der Umgang mit neuartigen Produkten also nicht, betrachtet man die aufwendigen Zulassungsverfahren für Produkte. Bedenklicher – findet Hannelore Daniel – ist da viel mehr unsere zunehmende Entfremdung von natürlichen hin zu ultra-ultra-verarbeiteten Lebensmitteln.

Und jetzt? Fazit zum Future Food Symposium

Die Forschungsergebnisse und Studien im Bereich der Ernährungswirtschaft zeigen unmissverständlich: Die tierische Produktion und allem voran der Fleischkonsum bieten am allermeisten Potenzial, um die Umweltwirkungen der Lebensmittelindustrie zu reduzieren. Viele Start-ups und auch Global-Player der Lebensmittelbranche haben diesen Trend bereits erkannt und tüfteln an neuen Technologien zur Herstellung von neuartigen Lebensmittel, die in Zukunft auf unseren Tellern landen könnten. Swiss Youth for Climate widerspiegelt einen weiteren Trend: Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel und Nachhaltigkeit wird für viele Konsumenten ein zunehmend wichtigeres Kriterium beim Einkauf – nicht nur bei Lebensmitteln. Vegane oder vegetarische Ernährungsweisen wandeln sich von Randbewegungen zu akzeptierten Lifestyles, wodurch die Nachfrage nach entsprechenden Produkten weiter steigen wird. Es tut sich also so einiges bei unseren Ernährungsgewohnheiten und in der weltweiten Lebensmittelproduktion. Welche Auswirkungen diese Trends haben, wird die Zukunft zeigen – die wir zu einem guten Teil selbst mit gestalten können!

Abbildung: Wir können die Zukunft unserer Ernährungswirtschaft mit gestalten – jetzt. Quelle: Raffael Wohlgensinger, Legendairy Foods am Future Food Symposium 2020.