Genomische Selektion Limousin

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Am 07. April 2020 wird das Merkmal Absatzgewicht bei Limousin eingeführt. Im Blog erklärt Sophie Kunz die Entwicklung der genomischen Selektion bei Limousin.

Grundlagen für die genomische Selektion

Die genomische Selektion arbeitet auf der Basis von SNP-Marker (single nucleotide polymorphism), welche gleichmässig über das gesamte Erbgut verteilt sind. SNP sind punktuelle Veränderungen an bestimmten Positionen im Genom. Mit den beiden derzeit in der Routine verwendeten Chip-Typen können rund 300’000 SNP (AxiomHD Custom Chip), 150’000 SNP (Bovine150k-Chip) oder rund 45’000 SNP (LD-Chip) typisiert werden. Durch die gleichmässige Verteilung von sehr vielen SNP über das gesamte Genom geht man davon aus, dass SNP in der Nähe von Genen liegen, die züchterisch relevante Merkmale beeinflussen.

Um herauszufinden, welche SNP-Marker wie viel Einfluss auf ein Merkmal haben, muss der Zusammenhang zwischen den Genotypen und den Leistungen (den konventionellen Zuchtwerten) hergestellt werden. Dies geschieht in der Effektschätzung, und mit Tieren die entweder über eigne Phänotypen oder über ein sicheres Nachzuchtprüfungsresultat haben. Häufig wird für diese Tiere auch der Begriff Trainingspopulation verwendet. Je mehr sicher geprüfte Tiere zur Verfügung stehen, desto besser. Für das Merkmal Absetzgewicht direkt (AGD) zählen wir derzeit 3’593 Trainings-Tiere.

Abbildung 1: Effektschätzung mit Trainings-Tiere und Berechnung DGZW für Selektionskandidaten.

Für die Berechnung der direkt genomischen Zuchtwerte (DGZW) werden die geschätzten SNP-Effekte für ein bestimmtes Tier über alle SNP-Marker aufsummiert. Dies ist für alle beliebigen Tiere möglich, also auch für junge Tiere, die selber noch keine eigenen konventionellen Zuchtwertinformationen aufweisen.

Die Sicherheit genomischer Zuchtwerte werden aus der Übereinstimmung zwischen DGZW und Zuchtwerten aus der Nachzuchtprüfung abgeleitet. Dafür werden die 10% der jüngsten Tiere vom ursprünglichen Trainingsdatensatz und der Effektschätzung ausgeschlossen (Validierungs-Tiere). Mit den restlichen Tieren wird eine separate Effektschätzung durchgeführt. Die Sicherheit der DGZW aller Tiere resultiert aus der Übereinstimmung zwischen dem DGZW und den Zuchtwerten aus der Nachzuchtprüfung der Validierungs-Tiere.

Die bestmögliche Schätzung für den genetischen Wert eines Tieres ergibt sich, wenn alle vorliegenden Informationen (konventionell und genomisch) genutzt und zu einem kombinierten Wert zusammengefasst werden. Diesen kombinierten Wert werden genomisch optimierter Zuchtwert (GOZW) genannt. Die Gewichtung von genomischem und konventionellem Zuchtwert im GOZW erfolgt anhand der Sicherheiten der beiden Zuchtwerte. Bei jungen Tieren mit einem unsicheren Abstammungszuchtwert erhält der DGZW ein relativ grosses Gewicht. Sobald ein Tier aufgrund von Eigen- oder Nachkommenleistung einen konventionellen Zuchtwert mit einer höheren Sicherheit aufweist, wird das Gewicht des DGZW im GOZW kleiner. Daher entspricht der GOZW bei sicher nachzuchtgeprüften Tieren beinahe dem konventionellen Zuchtwert.

Die Region für AGD

Abbildung 2: Region aus dem Chromosom 6 von Limousin wo bei der Ausprägung von AGD beteiligt ist.

Im Rahmen der Entwicklung der genomischen Selektion konnte durch die SNP-Marker eine Region auf dem Genom, die sogenannte QTL (quantitative trait loci), lokalisiert werden, die bei der Ausprägung von AGD beteiligt ist. Diese Region befindet sich auf dem Chromosom 6 von Limousin (Abbildung 2).

Bei Saatchi et al (2014) wird berichtet, dass dieselbe Region mit verschiedenen Merkmalen aus dem Fleischbereich assoziiert ist. Mit unseren eigenen Daten können wir diesen Effekt bestätigen.

Einführung der genomischen Selektion

Die genomischen Zuchtwerte für AGD werden am 7. April 2020 publiziert. Ab diesem Zeitpunkt wird Mutterkuh Schweiz drei Mal pro Jahr eine Routine Zuchtwertschätzung durchführen, mit Publikationsterminen am 07.04.2020, 11.08.2020 und 01.12.2020. Während diesen Routine Zuchtwertschätzungen wird die Effektschätzung für genomische Selektion aktualisiert (Siehe Beschreibung unter Grundlagen und Abbildung 1).

Abbildung 3: Jeden zweiten Dienstag werden genomische Zuchtwerte mit den geschätzten Effekten aus der letzte Routine-Zuchtwertschätzung berechnet, da im Rahmen dieses Prozess keine Effekte geschätzt werden.

Zusätzlich zu diesen drei fixen Termine werden jeden zweiten Dienstag im Monat für neu typisierte Tiere, wie zum Beispiel Kälber, genomische Zuchtwerte geschätzt. Dies ist in Abbildung 3 dargestellt. Dadurch können die Züchter laufend Proben an Qualitas senden und etwa einen Monat nach Probeneingang erhält der Auftraggeber die Resultate der genomischen Zuchtwertschätzung per Mail zugestellt.

Der Unterschied zwischen den drei Terminen aus der Routine Zuchtwertschätzung und den Dienstagsterminen liegt darin, dass bei den Dienstagsterminen die Effektschätzung nicht aktualisiert, sondern aus der letzten konventionellen Zuchtwertschätzung genommen wird. Dreimal jährlich, jeweils nach einer konventionellen Zuchtwertschätzung, werden die GOZW aller typisierten Tiere neu geschätzt und publiziert.

Durch die Anwendung der SNP-Technologie entstehen durch die genomische Selektion zu anderen Bereichen Synergieeffekte:

Abstammungskontrolle  –  Genomische Selektion  –  Einzelgen-Test

Sind weitere Merkmale in der Pipeline?

Im gleichen Zug wie AGD wurden die restlichen Merkmale bei Limousin für die genomische Selektion angeschaut. Leider haben wir in den anderen Merkmalen keinen Informationsgewinn durch die Genomik beobachtet. Das haben wir so nicht erwartet und die Ursachen dafür bearbeiten wir derzeit intensiv. Der Hauptfokus liegt diesbezüglich auf den Schlachtmerkmalen und deren konventioneller Zuchtwertschätzung. Über mögliche Änderungen und Erkenntnisse werden wir natürlich hier auf unserem Blog berichten.

Ein paar unserer Lösungsansätze, an welchen wir arbeiten:

  • Feinere Merkmalsdefinition und Unterscheidung der Poduktionssysteme Mutterkuhhaltung (saugende Kälber) / konventionelle Mast (nicht saugende Kälber):
    • Unterteilung von Bankkälbern (Natura-Veal / alle übrigen Bankkälber) und Banktieren (Natura-Beef / SwissPrimBeef / alle übrigen Banktiere)
  • Berücksichtigung des Schlachtalters als Merkmal, statt wie bisher als Covariable
  • Heterosis sowie Rassenkombination besser abbilden

Sobald die Optimierung der konventionellen Zuchtwertschätzung Schlachtmerkmale abgeschlossen ist, wird das Modell für die Zuchtwertschätzung Geburtsmerkmale überarbeitet.

Zusammenfassung

Das Merkmal AGD bildet das Wachstumpotential eines Kalbes ab. Mit der Einführung der genomischen Selektion für dieses Merkmal bei Limousin haben die Züchter die Möglichkeit diejenigen Kälber früh zu selektionieren, die die besten genetischen Vererber sind.